Am Ende dann der Rettungsanker
(Wiesbadener Kurier vom 03.10.2002)

Die Popkönige von A-ha bieten in der Festhalle ihrem Publikum ein eher kühles Vergnügen

Für alle, die bisher nicht registriert haben, dass sie überhaupt weg waren: Sie sind wieder zurück. Morten, Pal und Magne. A-ha soso genau! Take on meeeeee! Das waren doch die jene drei Norweger, die bei ihren Live-Auftritten in den achtziger Jahren regelmäßig mit Stoffbären und Poesiealben beworfen wurden. Von euphorisierten Teenagern, vorwiegend weiblich versteht sich. Und Harket, der gut gebaute Beau vom "Bravo"-Cover balladierte und damals schon mit Falsettstimme und kühlem Charme synthetische Pop-Zuckerwatte ins Ohr, die weniger durch ihre bittersüß-banalen Inhalte als durch ihren hymnischen Sound im Gedächtnis haften wollte. Um Varianten der Liebe ging es immer wieder, um Pathos via Keyboard, geschmachtete Sehnsucht und Mystizismus light.

Unbestätigten Gerüchte zufolge soll diese erste echte Boygroup dann von ihrem Management eingefroren worden sein, um pünktlich zum 80er-Jahre Revival wieder aufgetaut zu werden. "Minor Earth Major Sky" hieß das überschätzte Reunion-Album anno 1998, das aber immerhin den Finanzverwaltern ihrer Plattenfirma glänzende Augen bescherte. Warum wussten selbst diejenigen nicht, die dem wenig inspirierenden Werk einen Ehrenplatz im CD-Regal zugeteilt hatten. Dort steht mit "Lifelines" schon die nächste A-ha Scheibe und das triumphale Comeback wurde denn auch fleißig fortgeschrieben werden.

Die obligatorische "Tour der Superlative" so die Konzertagentur, durfte allerdings in der erklecklich gefüllten Festhalle einen Ausklang feiern, der vorwiegend Langeweile zu bieten hatte. Auf Überraschungen konnte man sich bei A-ha ja ohnehin nie gefasst machen, aber erschütternd ist, wie wenig sich in zwei Dekaden verändert hat. Okay, der ewig junge Harket wird nicht mehr mit Fan-Utensilien beworfen, die Teenager von einst sind mit dem Trio älter geworden, die "Morten ich liebe dich" Fähnchen seltener und das Bühnen-Outfit moderner. Stichwort Gefriertruhe: LED-Displays mit Video-Effekten zwischen silbern glänzenden Rohren im Hintergrund, dazu gleißt wahlweise rotes, blaues oder weißes Licht, Kargheit als Prinzip, die Atmosphäre zwischen Industrieloft und Patholie-Keller - ein kühles Vergnügen. Die Stimmung im Auditorium ist dennoch bestens, darauf hat auch die dänische Combo Sabya als Support mit einem verdächtig nach A-ha klingenden Sound hingearbeitet.

Und die Star Popper von einst halten mit ihrer clever kalkulierten, aber wenig kreativen Dramaturgie auch genau das, was sie versprechen. Nur nicht die Fangemeinde mit Innovativen verschrecken, nein lieber zelebrieren A-ha bewährten Schmuse-Pop und hymnische Pseudo-Philosophie. Wenn die Herren Furuholmen und Waaktaar-Savoy diesen ausgetreten Pfad in "Oranges On Appletrees" oder "Forever Not Yours", den besten Stücken der neuen CD, endlich einmal verlassen, wirkt Leadsänger Morten Harket fast deplaziert. Er scheint trotz seiner nach wie vor beeindruckenden Stimme müde, ausgebrannt und flüchtet sich in weihevolle Gestik, die von mitreißender Show so weit entfernt ist wie die gesamte bleierne Performance von dem, was dereinst zum A-ha Kult beigetragen hat.

"Turn The Lights Down", das Duett mit Annelie Drecker oder "Lifelines", der Tour-Titelsong? Klar, nette Melodien, dudeln ständig im Radio, aber sind es deshalb auch Hits, womöglich sogar gute? Nein. So rieselt denn ein Stück nach dem anderen in den Orbit, kollektive Entspannung macht sich breit - bis die ehemaligen Pop-Könige zu Ende eines teigigen Konzert-Abends dem Rettungsanker werfen: "Hunting High And Low" gefolgt von "Take On Me" - der Saal tobt und jetzt ist es endlich gewiss: Sie sind wieder da.

Dank an Silli

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