Melancholiker aus Berufung (Stereoplay Ausgabe 06/2002)

Drei Freunde müsst ihr sein: Nicht zuletzt ihrer tiefen gegenseitigen Sympathie verdanken A-ha eines der erstaunlichsten Comebacks der Popszene.

Als Morten Harket, Pal Waaktaar und Magne Furuholmen alias A-ha 1993 nach acht Jahren als Band frustriert das Handtuch warfen, weil sie trotz einiger traumhaft-melancholischer Pop-Perlen im Repertoire als "ewige Teenie-Stars" zu enden drohten, setze niemand mehr auf die drei Norweger. Nach fünf Jahre in diversen - eher erfolglosen - Projekten standen die Teenie-Helden wider Willen dann 1998 anlässlich der Einladung zur Friedensnobelpreis Verleihung in ihrer Heimatstadt Oslo wieder gemeinsam auf der Bühne - Beginn eines wundersamen Comebacks, das zwei Jahre später im Erfolgsalbum "Minor Earth, Major Sky" gipfelte.

Jetzt ist "Lifelines" auf den Markt gekommen, die siebte Studio-Produktion von A-ha -und das Trio zeigt sich heute selbstbewusster denn je. Das dürfen Harket, Waaktaar und Furuholmen auch sein, denn die 15 Titel verkörpern mit herrlich simplen Melodien, zeitlos arrangiert zwischen Ergriffenheit und Sehnsucht, fast das Idealbild zeitgemäßer Popmusik. Gleichzeitig zerstören selbst die in tieftraurigste Moll-Töne getauchten Balladen niemals die Hoffnung auf eine bessere Welt. Im Gegenteil, sie bereiten den Hörer darauf vor. Und: Musikalisch eindringlicher und abwechslungsreicher als auf "Lifelines" klangen A-ha nie zuvor.

Doch warum hören sich die meisten A-ha-Songs eigentlich seit jeher so schwermütig an? Morten Harket lacht eindringlich und lange, ehe er antwortet. "Keine Ahnung", meint er schließlich vergnügt, "vielleicht sind wir ja ganz triste Typen, die permanent über Selbstmord nachdenken! Nein, im Ernst - ich vermute, das liegt an unserer Mentalität", fügt er dann hinzu. "Wir sind alle drei äußerst nachdenkliche, verträumte Menschen. Selbst wenn wir unbedingt eine fröhliche Nummer einspielen wollen, klingt sie letztendlich doch immer etwas traurig. Das stört uns aber nicht. Das ist einfach unser Stil".

Ein Stil, der spätestens seit dem Erscheinen von "Minor Earth, Major Sky" definitiv nicht mehr hauptsächlich minderjährige Zahnspangenträgerinnen in ihren Bann zieht, sondern inzwischen vorrangig eine Anhängerschaft weit jenseits der 20. "Ich glaube, die Musik von A-ha spricht eigentlich Leute an, die an die Kraft des Träumens glauben, so wie wir selbst", ist Harket überzeugt. "Nur hat es lange gedauert, bis das auch etwas ältere Musikfans erkannt haben. Trotzdem waren wir immer schon überzeugt davon, dass wir hochwertige Musik machen, die Hörer jeden Alters ansprechen kann. Aber es hat nun mal gedauert, ehe wir an diesen Punkt gekommen sind. Zum Glück", grinst er, "dürfen wir das erleben. Wir werden mittlerweile als seriös eingestuft - und das noch vor unserem Ableben"!

"Tja" ‚ frozzelt er, "meine Ära als Teenie-Idol dürfte wohl endgültig zu Ende sein: Schließlich bin ich im September 42 geworden, bin verheiratet und habe drei Kinder. Von so einem Mann träumen 15-jährige Mädchen nun wirklich nicht mehr - außer sie haben einen Großvater-Komplex".

Wahr ist, dass A-ha stark gelitten haben unter dem Fluch der "ewigen Starschnitt-Musiker", wie "Der Spiegel" noch 1993 hämisch formulierte. Wahr ist aber auch, dass Morten Harket, Pal Waaktaar und Magne Furuholmen Ende der 90er Jahre wieder zusammengekommen sind, weil die Freundschaft unter ihnen so stark war. "Darauf bin ich wirklich verflucht stolz - dass die Bande unter uns dreien nie abgerissen sind, dass wir seit unserer Jugendzeit dicke Kumpels sind", freut sich Morten.

Wobei die Aufnahmen zu "Minor Earth, Major Sky" eher kühl-distanziert abliefen:
"Wir hatten keine Ahnung, ob sich im neuen Jahrtausend noch irgendjemand für A-ha interessieren würde. Diese Unsicherheit schlug schon auf die Stimmung im Studio nieder", erinnert sich Harket. "Nachdem der Erfolg mit jener CD allerdings dermaßen hohe Wellen schlug, bestärkte er auch unser Selbstbewusstsein - und unsere Freundschaft. "Lifelines" jedenfalls ist absolut relaxt entstanden. Die Scheibe ist definitiv das Ergebnis der Arbeit von drei ganz ganz engen Kumpels".

Trotz so viel eitel Sonnenschein handeln viele der aktuellen Texte nach wie vor von traurigen Beziehungen oder dem Verlust der Liebe. Warum, Herr Harket? "Das hat nicht sehr viel mit unseren eigenen Erfahrungen zu tun und liegt garantiert nicht daran, dass wir uns untereinander nicht verstehen würden", zuckt der 1,90-Meter-Hüne etwas verlegen mit den Schultern. "Es ist nur so, dass wir uns sehr gut in dieses Gefühl von Bittersüße und Verlust reinversetzen können. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir aus Norwegen stammen - ein Land, in dem die Melancholie offensichtlich zu Hause ist. Wir sind, wenn man so will, Melancholiker aus Berufung".

Im Herbst dieses Jahres werden die drei Osloer erneut auf ausgedehnte Welt-Tournee gehen, die sie im September auch durch deutsche Hallen führt. "Darauf freue ich mich schon mächtig, denn live zu spielen war seit jeher unsere große Leidenschaft", strahlt Harket. Und was ist vom Live-Programm dieses Mal zu erwarten? "Oh, all das, was A-ha-Fans von uns wünschen", lächelt der Beau breit. "Wir befinden uns definitiv in unserem zweiten Frühling, wir fühlen uns besser als je zuvor. Genau deshalb werden wir unseren Anhängern exakt das liefern, was sie von uns erwarten. Denn heute wissen wir, wer wir sind: Eine klasse Band, die seit über fünfzehn Jahren klasse Songs im Repertoire hat"!

Vielen Dank an Mechthild

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