Endspiel (Musikexpress Ausgabe 05/2002)
Mit "Minor Earth, Major Sky" gelang A-ha ein überraschendes Comeback. Aber wie
geht es jetzt weiter? Setzt sich mit dem neuen Album der zweite Frühling für die drei
Norweger fort?
Drei Männer. Drei Räume im Hamburger Atlantic-Hotel. A-ha sind wieder in der Stadt
und geben Interviews. Getrennt. Können sich die drei Norweger etwa nicht mehr
ausstehen, sind Morten Harket, 42, Paul Waaktaar-Savoy, 40, und Magne Furuholmen, 39, gar nur noch eine Zweckgemeinschaft, so wie bereits 1993 vor der ersten
Trennung? Nein - schuld sind mal wieder die Medien: Es sind so viele Berichterstatter da, dass sich die Band aufteilen muss.
Als A-ha im April 2000 mit "Minor Earth, Major Sky" ihr erstes Album nach sieben
Jahren Pause veröffentlichten, war der Andrang nicht annähernd so groß. Keiner
traute den sympathischen Nordmännern einen vergleichbaren Erfolg wie 1985 zu
Zeiten eines Welthits wie "Take On Me" zu. Inzwischen wissen wir, dass wir uns alle
getäuscht haben.
Für die Band ist die Situation, in der sie sich heute befindet, weitaus schwieriger. Das
neue Album "Lifelines" entstand unter großem Druck, wie Songschreiber Paul
Waaktaar-Savoy erzählt: "Wir hatten 1999, als uns keiner auf dem Schirm hatte, den
gleichen Vorteil wie jeder Newcomer. Niemand rechnete auch nur im Entferntesten
mit uns. Das machte alles sehr, sehr einfach." Nun, da die Band mit ihrem Comeback-Album eine so furiose Wiedergeburt gefeiert hat, schauen alle doppelt hin.
"Das ist die Art von Druck, die ich schon früher gahasst habe", sagt Waaktaar-Savoy, und
so, wie er da auf seinem Stuhl sitzt, die Beine wie die Lippen zusammengepresst und
auf der Nase eine Sonnenbrille, mag man es ihm glauben. Über sich und die Band
erzählen ist seine Sache nicht. Das sollen mal Magne und Morten machen.
Waaktaar-Savoy gibt den schüchternen Schöngeist. "Ich kann mit dem Ruhm nur schwer
umgehen", sagt er. "Ich bin eben nicht der Glitztertyp, der gern bei Tausenden jungen Mädchen als Poster über dem Bett hängt". Die Popularität ist auch der Grund,
warum es ihn als Einzigen aus der Band aus dem heimatlichen Norwegen nach New
York zog. Mit seiner Frau Laura wohnt er in einem Apartment in Soho, seine
Nachbarn sind Designerin Donna Karan, Ex-Pumpkin Billy Corgan und Schauspielerin
Claire Daines. "Es ist verdammt laut dort, Claire Daines lernt gerade das
Schlagzeugspielen. Corgan trommelt auch, er allerdings ist ein lausiger Drummer.“"
Dass die Band nach wie vor Zweifel an ihrem eigenen Erfolg hat, wird auch in den
Gesprächen mit Magne Furuholmen und Morten Harket deutlich. Um sich nicht zu
sehr im momentanen Erfolg zu sonnen, denkt die Band oft an die schlechten Zeiten
zurück. Damals, 1993 bei der Promotion zum fünften A-ha-Album "Memorial
Beach" zum Beispiel, als sich alle Drei so sehr auf die Nerven gingen, dass Interviews
ebenfalls in getrennten Räumen stattfanden. Aber nicht, weil die Anfrageflut der Medien so groß war.
"Ich habe Morten und Paul zeitweise zum Teufel gewünscht, wir haben uns
gehasst", sagt Magne Furuholmen. Die alten Gefühle sind zwar gewichen, man geht wieder normal miteinander um. Trotzdem lässt Keyboarder Magne
keinen Zweifel daran, was sein Hauptgrund für das groß angelegte Comeback ist:
"Geld. In meinem Alter hat man nicht mehr viele Chancen, für später
vorzubeugen." So ganz traut Furuholmen, der sich einen guten Namen als Maler erarbeitet hat, dem
neuen Frieden aber nicht. "Ich bin kein Pessimist, aber es ist vorhersehbar, dass unser Erfolg nicht wie damals eine ganze Weile anhalten
wird." Harket denk ähnlich: "Was wir vor zwei Jahren geschafft haben, hätte keiner für möglich gehalten. Wir können heute oben sein und morgen wieder unten. Wenn unser neues Album floppt,
spricht in einem halben Jahr kein Mensch mehr von uns."
Doch gerade das Kollegenlob, das A-ha erfahren hat, tut gut. "Coldplay haben einen
Song von uns auf ihrer Norwegen-Tour gecovert, Bono hat in einem Interview erzählt, wie sehr ihm unser letztes Album gefallen hat. So was macht
stolz", sagt Furuholmen. "Und es macht Spaß, dass wir alte Säcke den Teeniebands zeigen können,
wie es geht. Und das in Zeiten, wo jedes Land via Fernsehen aus Niemanden
Popstars macht." Trotzdem, die Kraft, die Zeit und vor allem die Lust alles mitzumachen,
um "Lifelines" zu pushen, bringt das Trio nicht auf. Und auch wenn sich die Band für
dieses Album nochmal zusammengerauft hat, zeigt es doch eklatant ihre Probleme
auf. A-ha sind heute eine Band, die nicht mehr aus einem Guss, sondern aus drei
Einzelspielern besteht. Man ist zu lange dabei und respektiert sich vielleicht auch auf
eine andere Weise als früher, um etwas zu kreieren oder gar anderen vorzuspielen.
Was es so nicht mehr gibt. Und dass "Lifelines" eine alles entscheidende Platte ist,
weiß die Band sehr wohl. "Die Fans entscheiden. Läuft das Album gut, können wir
uns durchaus vorstellen, noch ein weiteres zu machen", sagen Harket und
Furuholmen. "Läuft es dagegen schlecht, sollten wir A-ha wohl besser ruhen
lassen."
Dank an Oliver für das Einscannen des Artikels
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