Bombast, Pathos,
Chorjungenmelancholie
(Berliner Zeitung vom 27.11.2000)
Schenkten diesem Comeback seinen Glanz:
A-ha gaben in Berlin ein bemerkenswertes Konzert
Als das Licht erlischt, kann das Kreischen beginnen.
Manche zünden spontan ihre Feuerzeuge an, anderen
gefällt es rhythmisch zu klatschen, die meisten aber
strecken einfach beide Arme in die Luft und schreien. Ob
der gewissermaßen unerträglichen Erwartungshaltung gibt
sich das Publikum im ausverkauften Velodrom durch und
durch entfesselt. Offenbar kann es nur noch wenige
Sekunden dauern, bis die drei Norweger namens A-ha die
Bühne endlich betreten.
Als A-ha nach ihrem fünften Album "Memorial
Beach" 1992 den Rückzug antraten, waren sie ihr
Image gründlich leid. Ihre Hörerschaft rekrutierte sich
beinah ausschließlich aus Teenagern, also wurden A-ha
auch folgerichtig als Teenieband eingestuft. Und
Teeniebands, so hatte man es sich seit der Erfindung der
Popmusik angewöhnt, nahm man als Künstler nicht ernst.
Doch A-ha wollten ernst genommen werden, dazu war ihnen
jedes Mittel recht: Um von seinem vorteilhaften Äußeren
abzulenken, hatte sich Sänger Morten Harket für seine
Bühnengarderobe eine Kollektion betont langweiliger
Strickpullover zugelegt, und Gitarrist und Songschreiber
Pal Waaktaar-Savoy hatte seine Kompositionen zuletzt
immer komplexer gestaltet, in radiountaugliche Längen
gezogen und mit allerlei nachdenklichem Textgut versehen.
Pullovertragen heißt Komplexität
Als sie keinen anderen Weg mehr sahen, wählten A-ha
eine Auszeit. Siebeneinhalb Jahre haben sie mit einem
Lebenszeichen gewartet, nun sind A-ha mit ihrem neuen
Album "Minor Earth Major Sky" zurück. Die
Ironie: Ihr Publikum ist dasselbe geblieben, nur etwas
älter ist es in der Zwischenzeit geworden. A-ha sind
heute eine Ex-Teenieband mit einem Ex-Teenie-Publikum.
Und dieses Publikum hat es sich augenscheinlich in den
Kopf gesetzt, das Erwachsenendasein zumindest für die
Dauer des Konzerts gründlich zu verdrängen. Also jubelt
es den Dreien hingebungsvoll und angemessen unvernünftig
zu, wie sie schließlich, begleitet von einer
dreiköpfigen Band, gut gelaunt auf die Bühne
schlendern. Es trifft sich dabei gut, dass A-ha ihren
Fans den kleinen Selbstbetrug nicht schwer machen.
Offenbar haben sie die Jahre der Abwesenheit ohne
nennenswerte Alterungsprozesse überstanden. Morten
Harket trägt eine enge, schwarze Lackleder-Hose zu einem
schwarzen Hemd, das er sich auffallend weit aufgeknöpft
hat. Vieles deutet darauf hin, dass sich der mittlerweile
41-Jährige trotz seiner Wollpullover-Vergangenheit sehr
wohl in der Rolle des attraktiven Sängers gefällt. Alle
anderen tragen schlicht dunkel und schwarz. Dazu passend
ist das Bühnenbild betont sachlich gestaltet. Vier
quaderförmige Lichtskulpturen ragen vom Bühnenboden zur
Decke auf und werden von außen und innen beleuchtet. Die
Lightshow ist übersichtlich und minimal und arbeitet
dabei beinah ausschließlich mit Farbflächen. Auf der
Bühne gibt es daher viel Platz; viel Platz für Bombast,
Pathos und Melancholie.
Das Besondere an A-ha war seit jeher die Kombination
aus unverschämt eingängigen Melodien und Morten Harkets
Chorjungenstimme. Sein Hang zum Falsettieren ist
wahlweise berüchtigt oder legendär und prägte noch
jeden Song der Band. Pal Waaktaar-Savoy schrieb Harket
daher gern schwermütige Zeilen über unerfüllte
Sehnsüchte, enttäuschte Lieben und anderes Unglück ins
Textbuch, um die tragische Dimension seines Gesangs
entsprechend zu unterfüttern.
Und so steht Harket auch im Zentrum der Show, reckt
seine Arme und schmettert. Dann und wann drängt sich
auch Waaktaar-Savoy in den Vordergrund, um ein
erfrischend unpassendes Gitarrensolo anzutäuschen - ganz
so, als wollte er seiner alten Aussage, dass A-ha mehr
rockten als Def Leppard, verspätet Nachdruck verleihen.
Magne Furuholmen hingegen bleibt die meiste Zeit an
seinen Keyboards sitzen, lächelt und hält sich vornehm
zurück. Die Band funktioniert perfekt, am Sound gibt es
nichts zu mäkeln. Obwohl A-ha hauptsächlich neues
Material spielen, zeigt sich das Publikum in bester
Stimmung. Da alte und neue A-ha-Songs sich allerdings
stilistisch kaum voneinander unterscheiden, sollte das
auch niemanden wundern. Die neuen Songs vermitteln eine
Ahnung davon, wie das aktuelle Album klingen könnte,
wäre es besser produziert. Die alten Hits - "Stay
On These Roads", "Hunting High And Low"
oder "The Living Daylights" - bedienen die
Nostalgie, und so fügt sich das gesamte Konzert
wunderbar in das gegenwärtige Achtzigerjahre-Revival.
Revival, aber nur unbewusst
Den
A-ha-Fans jedoch ist dieser Umstand kaum bewusst.
Nietengürtel, Schulterpolster, Fledermausärmel und
türkisfarbene Alcantara-Kostüme sucht man im Velodrom
vergebens. Dorthin ist man nicht aus modischen
Erwägungen gekommen, sondern aus purer Ergebenheit. Und
als nach zwei Stunden der letzte Ton von "Take On
Me" verklungen ist, glaubt das Publikum wirklich,
dass es ein bemerkenswertes Konzert gesehen hat.
Vielen Dank an Uta für Abschrift des Artikels
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