Stromstöße aus der Türklinke
(Berliner Morgenpost vom 04.05.2000)
Comeback nach sieben Jahren:
A-HA schwelgen auf "Minor Earth Major Sky" in
Moll
Den Unterschied zwischen den Teenieschwärmen der
Achtziger und der jetzigen, wiedervereinigten Band A-HA
kann Sänger Morten Harket in zwei kurzen Sätzen
erläutern: «Wir haben viel mehr Erfahrung - ganz
allgemein im Leben. Und wir sind nun auch älter.» Aha!
Glücklicherweise hat das Trio mehr musikalische Substanz
zu bieten, als es dieses Statement vermuten ließe. Ob
diese musikalischen Qualitäten allerdings ausreichen, um
jene, beinahe surreale Hysterie zu erzeugen, die damals
herrschte, darf bezweifelt werden. Aber diesen Trubel
wünschen sich Morten Harket, Pål Waaktaar und Mags
Furuholmen auch nicht zurück. Mitte der Achtziger war es
so schlimm, dass das Trio nur noch in einer Limousine
unterwegs war, deren Türgriffe unter Strom gesetzt
werden konnten, damit wildgewordene Fans ihre Stars nicht
aus dem Wagen zerrten.
A-HA, das war die perfekte Erfolgsgruppe. Die drei
Norweger vereinten die Vorteile einer echten Band und
einer Boygroup in sich: Sie sahen blendend aus, schrieben
ihre eigenen Hits, waren nett, gut erzogen und noch
besser angezogen. Millionen Teenager in aller Welt
weinten verzückt in die Kissen, wenn Morten Harket seine
warm-weiche Stimme in ein melancholisch-samtenes Falsett
umkippen ließ. Die britische Presse bemühte angesichts
der unglaublichen Fanhysterie die Erinnerung an
Beatle-Mania-Zeiten. Platten, Poster, Tassen, Kalender,
T-Shirts - egal, was es war, wenn ein AHA-ling
aufgedruckt war, verkaufte es sich wie geschnitten Brot.
Doch so harmonisch die Musik war, die Beziehungen
innerhalb der Band waren es immer weniger. Die
Eigeninteressen begannen die der Gruppe zu dominieren.
Die innere Distanz zueinander nahm zu, die Entfernungen
wurden zu groß, um noch durch Komunikation überbrückt
werden zu können. Nach dem ambitionierten, aber relativ
unerfolgreichen Album "Memorial Beach" von 1993
ging nichts mehr. Morten Harket veröffentlichte bald ein
Solo-Album, das in Norwegen respektable Verkaufszahlen
erreichte. Pål Waaktaar gründete gemeinsam mit seiner
Frau Lauren die Band Savoy, die mit ihren beiden LPs in
ihrer Heimat ebenfalls recht erfolgreich ist. Mags
konzentrierte sich auf seine bildhauerische Arbeit und
hatte hochgelobte Ausstellungen in renommierten Museen.
Via Presse beharkten sich die Musiker gegenseitig mit
Nettigkeiten. Jetzt sieben Jahre danach, ist alles
vergessen und vergeben. Das gemeinsame Bedürfnis nach
Erfolg, - nein, nach Riesen-Super-Total-Erfolg - hat die
Egos wieder zueinander geführt. Morten Harket: "Wir
wollen Musik für ein Weltpublikum machen."
Mit dem Album "Minor Earth Major Sky"
versuchen A-HA den Spagat, an die alten Tugenden
anzuknüpfen, ohne altmodisch zu klingen. Wie früher
gibt es auch beim neuen Album vorrangig Midtemposongs,
die mit ihren in Melancholie schwelgenden Melodien
bestens zur prägnanten Stimme von Morten Harket passen.
Auf Dauer entsteht dadurch eine gewisse
Gleichförmigkeit. "Minor Earth Major Sky" ist
ein bisschen wie die Fahrt auf einer gerade verlaufenden
Autobahn. Der Ausblick ändert sich zwar permanent, und
doch sitzt man da und wartet darauf, dass etwas wirklich
Interessantes passiert. A-HA sind sich so treu geblieben,
als wären sämtliche Trends des vergangenen Jahrzehnts
an den Norwegern vorbeigegangen.
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